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CHRISTIAN SCHLENDER

Heinz Hoenig und sein Fall der „Kranken-Nichtversicherung“

Der „Fall Heinz Hoenig“ schlägt seit Monaten hohe Wellen in der deutschen Medienlandschaft. Der in Blankenburg (Harz) lebende, 72 Jahre alte deutsche Schauspieler liegt aufgrund schwerwiegender Gesundheitsprobleme in einer Berliner Klinik und sei seit Jahren nicht krankenversichert. Familie und Freunde sammeln Spenden, um die hohen anfallenden Krankheitskosten begleichen zu können. Darüber hinaus hat seine Ehefrau eine Petition zur Einführung einer Bürgerversicherung gestartet.

Vielen Interessierten stellt sich die Frage, warum Heinz Hoenig eigentlich keine Absicherung im Krankheitsfall besitzt, obwohl doch heute eine gesetzliche „allgemeine Krankenversicherungspflicht“ für alle Personen mit Wohnsitz in Deutschland existiert? Wie kann sowas also sein? Seine Frau versuchte nach eigener Aussage seit Jahren erfolglos, ihren Mann bei einer Krankenversicherung „anzumelden“. Mittlerweile soll ein Anwalt mit der Sache betraut sein. Was der bisher erreichen konnte, ob Heinz Hoenig mittlerweile sogar eine Krankheitsfall-Absicherung hat, ist nicht bekannt.

Heinz Hoenig gemeinsam mit seiner Ehefrau

Heinz Hoenig und seine Ehefrau 2019 © Martin Kraft, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Die Ehefrau von Heinz Hoenig sagte der Presse, dass ihr Mann früher (zuletzt) privat krankenversichert war, sich aber irgendwann die Beiträge nicht mehr leisten konnte und aus der Versicherung geschmissen, also gekündigt wurde.
Festzuhalten bleibt erstmal, dass dies vor dem Inkrafttreten der allgemeinen Krankenversicherungspflicht 2009 passiert sein muss. Denn seitdem haben die Versicherer keine Möglichkeit mehr, eine Krankheitskostenversicherung, die eine Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG erfüllt (= „allgemeine Krankenversicherungspflicht“ für Personen mit Wohnsitz in Deutschland), zu kündigen, selbst außerordentlich nicht, wenn die Prämie nicht mehr gezahlt wird (§ 206 Abs. 1 Satz 1 VVG). §§ 37, 38 VVG gelten hier nicht. Das Gesetz sieht heute in § 193 Abs. 6 VVG vielmehr ein Mahnverfahren für eine der Pflicht nach § 193 Abs. 3 Satz 1 VVG genügende Versicherung vor, sobald man mit einem Betrag in Höhe von Prämienanteilen für zwei Monate im Rückstand ist. Später ruht der Vertrag, es sein denn, der Versicherungsnehmer oder die versicherte Person ist hilfebedürftig im Sinne des SGB II (Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende) oder SGB XII (Sozialhilfe).

Notlagentarif nach § 153 VAG

Solange der Vertrag ruht, gilt der Versicherungsnehmer als im Notlagentarif nach § 153 VAG versichert (zum 01.08.2013 eingeführt). Die Leistungen im Notlagentarif beschränken sich – mit Ausnahme von Kindern und Jugendlichen – auf die Behandlung von akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen sowie auf Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft. Solange der Vertrag ruht, erhalten die Versicherten also nur stark eingeschränkte Leistungen, verglichen mit „PKV-Normaltarifen“, aber immerhin überhaupt Leistungen. Das Gesetz regelt auch, wann eine Rückkehr in den Tarif vor Eintritt des Notlagentarifs erfolgt (§ 193 Abs. 9 VVG). Vom 01.01.2009 bis 31.07.2013 gab es zwar noch keinen Notlagentarif, jedoch haftete der Versicherer in der Ruhenszeit trotzdem (ausschließlich) für Aufwendungen, die zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft erforderlich waren.

Basistarif nach § 152 VAG

In der privaten Krankenversicherung besteht für die Versicherer eine gesetzliche Annahmeverpflichtung (sogenannter Kontrahierungszwang) im sogenannten Basistarif nach § 152 VAG (§ 193 Abs. 5 VVG). Hier kann Heinz Hoenig nicht abgelehnt werden, wenn er die Voraussetzungen nach § 193 Abs. 5 VVG erfüllt (hier ist als Außenstehender nicht ersichtlich, woran das scheitern könnte), anders als in Normaltarifen, wo er aufgrund seines Gesundheitszustandes wohl kaum aufgenommen werden würde.

Der Basistarif ist in den Vertragsleistungen in Art, Umfang und Höhe jeweils mit den Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB V (Gesetzliche Krankenversicherung) vergleichbar. Problematisch ist darüber hinaus, dass die tariflichen Erstattungsleistungen im Basistarif im Vergleich zu „Normaltarifen“ der PKV sehr limitiert sind und die (Zahn-)Ärzte nicht dazu verpflichtet sind, Versicherte im Basistarif – außer in Notfällen – zu behandeln. Bei den jeweiligen Kassen(zahn-)ärztlichen Vereinigungen kann erfragt werden, welche (Zahn-)Ärzte Behandlungen zu den Bedingungen des Basistarifs der PKV durchführen. Versicherte im Basistarif sind verpflichtet, sich vor Behandlungsbeginn zu erkennen zu geben.

Der Beitrag im Basistarif ist gedeckelt: Er darf den Höchstbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung nicht überschreiten. Dieser Höchstbeitrag ergibt sich aus der Multiplikation des allgemeinen Beitragssatzes zuzüglich des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes nach § 242a Abs. 2 SGB V mit der jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung. Für 2024 liegt er entsprechend bei 843,52 Euro im Monat. Hinzu kommt noch der Beitrag zur Pflegeversicherung. Besteht Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II oder des SGB XII oder würde allein durch die Zahlung des Beitrags für den Basistarif Hilfebedürftigkeit entstehen, vermindert sich der Beitrag für die Dauer der Hilfebedürftigkeit oder für die Zeit, in der Hilfebedürftigkeit entstehen würde, um die Hälfte. Der Sozialleistungsträger kann den „restlichen“ Teil, also den halbierten Beitrag des Basistarifs übernehmen.

Prämienzuschlag bei Nichtversicherung in der PKV

Nun ist es aber nach dem Gesetz so, dass bei Nichtversicherung für mehr als einen Monat ein Prämienzuschlag zu entrichten ist (§ 193 Abs. 4 VVG). Dieser beträgt einen Monatsbeitrag für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung (also ab dem 2. Monat der Nichtversicherung), ab dem 6. Monat der Nichtversicherung für jeden weiteren angefangenen Monat der Nichtversicherung 1/6 eines Monatsbeitrags. Kann die Dauer der Nichtversicherung nicht ermittelt werden, ist davon auszugehen, dass der Versicherte mindestens fünf Jahre nicht versichert war. Der Prämienzuschlag ist einmalig zusätzlich zur laufenden Prämie zu entrichten. Die Stundung des Prämienzuschlages kann möglich sein.

Kann eine längere Dauer der Nichtversicherung ermittelt werden, könnte theoretisch also auch für einen längeren Zeitraum ein Prämienzuschlag fällig werden. Die Versicherer gehen hier unterschiedlich vor. Manche nehmen in jedem Fall maximale eine Nichtversicherung von fünf Jahren an. Legt man einfachheitshalber den aktuellen Höchstbeitrag für den Basistarif zugrunde, so wäre bei fünf Jahren Nichtversicherung folgender Prämienzuschlag zu zahlen: 4 * 843,52 + 55 * 1/6 * 843,52 = 11.106,34 Euro. Kann für die Vergangenheit nachgewiesen werden, dass Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II/SGB XII vorlag oder entstanden wäre, darf der Prämienzuschlag nur vom halbierten Beitrag für den Basistarif berechnet werden.

Gesetzliche Krankenversicherung

Schauen wir nun auf die Möglichkeiten, einen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung herzustellen: die Versicherungspflicht (§ 5 SGB V), die Familienversicherung (§ 10 SGB V) und die Versicherungsberechtigung (§ 9 SGB V).

Versicherungsfreiheit

§ 6 Abs. 3 SGB V sieht vor, dass die nach § 6 Abs. 1 SGB V oder anderen gesetzlichen Vorschriften mit Ausnahme von § 6 Abs. 2 SGB V und § 7 SGB V (Anm.: geringfügige Beschäftigtigung) versicherungsfreien oder von der Versicherungspflicht befreiten Personen auch dann versicherungsfrei bleiben, wenn sie eine der in § 5 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 5 bis 13 SGB V genannten Voraussetzungen erfüllen (Anm.: ausgenommen sind hier also die Versicherungspflichttatbestände § 5 Abs. 1 Nr. 2 – ALG I -, 2a – Bürgergeld -, 3 – Landwirte – und 4 – Künstler & Publizisten – SGB V). Dies gilt nicht für die in § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V genannten Personen, solange sie während ihrer Beschäftigung versicherungsfrei sind (Anm.: Werkstudenten). Sollte Heinz Hoenig zu einer der genannten Personen gehören, würde also bei Vorliegen einer der relevanten Versicherungspflichttatbestände keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung eintreten.

§ 6 Abs. 3a SGB V sieht zudem vor, dass Personen, die nach Vollendung des 55. Lebensjahres versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung werden, versicherungsfrei sind, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Versicherungspflicht nicht gesetzlich krankenversichert waren. Weitere Voraussetzung ist, dass diese Personen mindestens die Hälfte dieser Zeit versicherungsfrei, von der Versicherungspflicht befreit oder nach § 5 Abs. 5 SGB V nicht versicherungspflichtig waren. Der Voraussetzung des vorherigen Satzes stehen die Ehe oder die Lebenspartnerschaft mit einer im Satz genannten Person gleich. Die Versicherungspflicht tritt dann also nicht ein.

§ 6 Abs. 3a SGB V gilt jedoch nicht für Personen, die nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V versicherungspflichtig sind. Die sogenannte Auffangversicherungspflicht scheidet aber aus, da bei Heinz Hoenig wohl zuletzt eine private Krankenversicherung bestand. Eine weitere Prüfung Wert wäre, ob Heinz Hoenig nicht viele Jahre rückwirkend bspw. als Bezieher einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist (nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V oder § 5 Abs. 1 Nr. 11a SGB V).

Künstlersozialversicherung / Künstlersozialkasse

Für selbständige Künstler gibt es die Künstlersozialkasse. Jedoch ist für den Beginn der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz der Eingangstag der Meldung ausschlaggebend oder der Tag des Bescheides der KSK, welcher die Versicherungspflicht feststellt (§ 8 Abs. 1 KSVG). Das Bundessozialgericht hat bereits 2009 entschieden (AZ B 3 KS 1/09 B), dass die rückwirkende Feststellung der Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung (Künstlersozialkasse) auf vier Jahre begrenzt ist. Die Regelung nach § 6 Abs. 3a SGB V gilt aber auch für diese Versicherungspflicht. Damit scheidet die Versicherungspflicht als Künstler in der gesetzlichen Krankenversicherung für Heinz Hoenig aus.

Familienversicherung (§ 10 SGB V)

Da Heinz Hoenig verheiratet ist, ist die Möglichkeit der beitragsfreien Familienversicherung nach § 10 SGB V über seine Ehefrau zu prüfen, sofern diese Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist. Dies ist ohne eine Altersgrenze möglich, da § 6 Abs. 3a SGB V nur auf Versicherungspflichttatbestände und nicht die Familienversicherung abstellt. Die Familienversicherung kann jedoch aus verschiedenen Gründen nicht zustande kommen, bspw. wenn Heinz Hoenig hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist oder ein zu hohes regelmäßiges monatliches Gesamteinkommen hat. Dies scheint der Fall zu sein.

Versicherungsberechtigung (§ 9 SGB V)

Eine weitere Möglichkeit, sich gesetzlich krankenzuversichern, ist die Versicherungsberechtigung nach § 9 SGB V. Für schwerbehinderte Menschen besteht hier nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V auf den ersten Blick vielleicht die Option, jedoch können die Satzungen der gesetzlichen Krankenkassen eine Altersgrenze für den Beitritt festlegen. Bei den meisten Krankenkassen liegt diese schon bei Vollendung des 45. Lebensjahres.

Sozialhilfe (SGB XII)

Der Bezug von Sozialhilfe nach dem SGB XII löst keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung aus, anders als der Bezug von Bürgergeld nach SGB II (§ 5 Abs. 2a SGB V, jedoch § 5 Abs. 5a SGB V und wieder § 6 Abs. 3a SGB V beachten).

Die Gesundheitshilfe („Hilfen zur Gesundheit“, §§ 47 – 52 SGB XII) ist der Krankenversicherungsschutz des Sozialamts. Wer langfristig (länger als einen Monat) Sozialhilfe bezieht (z.B. Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) und keine Absicherung im Krankheitsfall hat, kann eine gesetzliche Krankenkasse wählen, die die Kosten in Zusammenhang mit der Hilfe zur Gesundheit übernimmt (sogenannte Quasi-Versicherung oder unechte Versicherung). Das Sozialamt erstattet der Krankenkasse dann die Kosten. Nichtversicherte, die nur kurzfristig Sozialhilfeleistungen erhalten (in der Regel weniger als ein Monat), werden nicht über eine Krankenkasse betreut, sondern müssen sich vor jeder medizinischen Behandlung beim Sozialamt einen Behandlungsschein holen (Ausnahme: Notfall oder Behandlung am Sonn- und Feiertag). Die erbrachte medizinische Leistung wird dann direkt vom Sozialamt an den Arzt gezahlt. Hier ist aber nicht klar, ob Heinz Hoenig wirklich entsprechend hilfebedürftig im Sinne des Gesetzes ist.

Fazit

Dem Grunde nach sollte für Heinz Hoenig zumindest die Möglichkeit auf Aufnahme in den Basistarif nach § 152 VAG eines Versicherers bestehen: selbst wenn er bereits privat krankenversichert war und der Versicherer den Versicherungsvertrag wegen Drohung oder arglistiger Täuschung angefochten hat oder vom Versicherungsvertrag wegen einer vorsätzlichen Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht zurückgetreten ist, denn dann kann ein anderer Versicherer (für den Basistarif) gewählt werden. Für die Zeit der Nichtversicherung wäre bei Aufnahme jedoch ein Prämienzuschlag zu entrichten. Dies ginge auch gegebenenfalls mit den bisher eingesammelten Spenden. Zu beachten ist jedoch, dass der Basistarif wirklich nur eingeschränkte Leistungen im Vergleich zu „PKV-Normaltarifen“ vorsieht, es durchaus schwierig ist, (Zahn-)Ärzte zu finden, die einen zu den Konditionen behandeln.

Zuvor sollte ein Anspruch auf Familienversicherung über seine Ehefrau, sofern sie Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist, geprüft werden. Es kann aber gut sein, dass die Voraussetzungen nach § 10 Abs. 1 SGB V bspw. aufgrund einer hauptberuflich selbständigen Erwerbstätigkeit oder eines zu hohen regelmäßigen monatlichen Gesamteinkommens nicht gegeben sind. Der Eintritt einer Versicherungspflicht (§ 5 SGB V) in der gesetzlichen Krankenversicherung dürfte wohl an Versicherungsfreiheit (§ 6 SGB V) scheitern, ohne weitere Kenntnis, und auch in Sachen freiwilliger Versicherung in der GKV schaut es für Heinz Hoenig schlecht aus (§ 9 SGB V).

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